Das Problem der “sauberen Lösung” in der Zürcher Architektur

Es scheint, dass sich die Architekturszene in Zürich aktuell politisiert. Es wird immer lauter hinterfragt, warum so selbstverständlich so viele Häuser abgerissen und durch neue Bauten ersetzt werden. Denn vielleicht mag das eine “saubere Lösung” sein. Aber das ist ökologisch höchst fragwürdig. Und vor allem wird damit auch massiv günstiger Wohnraum vernichtet. Meine Lieblingszitate aus einem Gespräch im ZAZ Bellerive.

Was ist los?

«Die Zürcher Architektur der letzten zwanzig Jahre besticht durch ihr hohes entwerferisches Niveau, ihre planerische Sorgfältigkeit und ihre Präzision in der Ausführung. Entworfen wird eine ästhetische Klarheit mit hoher Kontrolle im Ausdruck – eine Architektur, die in sich abgeschlossen, ein gefasster Idealzustand ist. Die Konsequenzen dieser architektonischen Haltung werden immer greifbarer, denn ganze Stadtfragmente werden ersetzt, ohne die bestehenden, heterogenen Realitäten aufzugreifen oder sie für die Zukunft nutzbar zu machen. (…)» – aus dem Einleitungstext

Beiträge aus der Diskussion:

Die ‘saubere Lösung’ ist nur dann sauber, weil man dabei viele Phänomene ausblendet. Die Menschen, die vertrieben werden. Die graue Energie, die vernichtet wird. Der Umgang mit unserem Baukulturerbe.

Früher galten all die Blockrandbauten aus der Gründerzeit als furchtbar. Man wollte alles restlos abreissen. Heute sind genau diese Bauten begehrt wie nichts anderes… Unsere Generation geht momentan gleich um mit den Bauten der Nachkriegszeit. Wir wollen sie ungehemmt zerstören, wir haben sie gehasst, diese Häuser aus der Generation unserer Eltern. Wir brauchen vielleicht mal eine Psychoanalyse dieses kollektiven Hasses.

Was ist eigentlich das Recht von Mieter*innen an ihrer Wohnung? Da leben sie 30 Jahre dort und dürfen nicht mal die Farbe ihrer Küche verändern…

Die Verdrängungsprozesse in den letzten 20 Jahren aufgrund der Neubauwelle ist enorm!

So, wie wir momentan bauen, ist etwas Gemachtes. Es ist nichts Naturgegebenes, sondern eine kulturelle Praxis. Sie ist historisch entstanden und lässt sich ebenso auch ändern. Darum müssen wir das, was hier passiert, mit sozialen Bewegungen zusammendenken.

Was tun?

❋ Mutiger mitreden bei Jurierung und Wettbewerbsprogrammen

Aber das Problem ist ja: Meistens sind die Strategien für Abriss bereits gesetzt, wenn wir Architekt*innen ins Spiel kommen!

❋ Einsetzen für neue Regulierungen

Die Romantik des Weiterbauens (statt Abreissens) wird momentan durch Regulatorien massiv erschwert bis verhindert. Dort braucht es ein Umdenken.

❋ Zu Expert*innen werden für ökologische und soziale Nachhaltigkeit

Früher waren Architekt*innen Generalist*innen. Wir haben oft auch nach Bauchgefühl entschieden. Heute verlassen wir uns stark auf Nachhaltigkeits-Expert*innen. Sollen wir uns auch in die Entwicklung dieser Normen einbringen, oder sollen wir das weiter delegieren?

❋ Honorare von Architekt*innen diskutieren

Das Selbstbild der Architekt*innen verändert sich vielleicht gerade. Wir entwickeln eine gewisse Vorsicht und entwickeln eine Haltung für kleinstmögliche Eingriffe. Das Problem ist, dass wir daran nichts verdienen. Meine Hoffnung ist, dass es fürs Weiterbauen nie eine Modelllösung gibt, sondern es uns weiterhin für die Entwicklung von Einzellösungen braucht.

Das Bekenntnis zum kleinstmöglichen Eingriff bedeutet vielleicht auch, dass wir als Architekt*innen auf das grösstmögliche Honorar verzichten.

❋ Umgang von Pensionskassen mit ihrem Geld mitbeeinflussen

Das Problem der Pensionskassen: Häufig haben sie so viel Geld, dass sie nicht mehr wissen, wohin damit. Das parkieren sie dann in Beton.

Die Pensionskassen gehören ja eigentlich uns – wir sollten da mehr mitreden!

❋ Neue Vorstellungen von ‹Stadt› entwickeln

Wir müssen uns dringend überlegen: In was für einer Stadt wollen wir eigentlich wohnen? Was ist unser Verhältnis zum Wohlstand?