Am nächsten Samstag, den 4. November gibt es in Zürich eine Grossdemo gegen die Wohnungskrise – 15 Uhr ab Turbinenplatz. Heute beantworte ich ein paar Fragen, die dich vielleicht noch beschäftigen. Nützt Demonstrieren überhaupt etwas? Ist diese Demo nun bewilligt oder nicht? Können auch Leute kommen, die gar nicht (mehr) in der Stadt wohnen?
Liebe Mieter:innen von Zürich,
Es geht nur noch ein paar Tage, und dann findet endlich wieder einmal eine grosse Demonstration statt gegen die unsägliche Wohnkrise. Diese haben Freund:innen von mir gemeinsam mit vielen weiteren Gruppen und Menschen organisiert. Und ich darf euch heute ein paar wichtige Fragen dazu beantworten.
So gehen meine Freundinnen an die Demo am 4. November (Foto: Mieten Marta)
«Also – ist die Wohnungskrise in Zürich wirklich so schlimm, wie alle sagen?»
Ja! Auch wenn Leute euch sagen: «In San Francisco, Tokyo oder London ist es noch viel schlimmer!» dann antworte ihnen laut und deutlich: «Wir wollen ja nicht so lange warten, bis es in Zürich auch soweit ist! Hier ist es schlimm genug!» Und um das alles noch mit faustdicken Argumenten zu untermauern, habe ich euch eine Website gemacht: www.wohnkrise.ch. Da steht haargenau:
- wer eigentlich im Moment alles vertrieben wird
- warum bauen, bauen, bauen keine Lösung ist
- warum es eine schlechte Idee ist, die Altersvorsorge an den Immobilienmarkt zu knüpfen,
- …
Und vor allem steht da drin: Warum das Grundproblem die steigenden Bodenpreise sind! (>> siehe auch meine ältere Kolumne «Zürichs Grundproblem»). In diesem Sinne leuchtet mir auch ein, dass «Keine Profite mit Boden und Miete!» eine der Demo-Forderungen ist.
«Ich sehe das Problem, aber demonstrieren nützt doch nichts?»
Doch! Auch wenn einige Parteien politische Initiativen für Mieter:innen auf den Weg bringen, braucht es den Druck von der Strasse. Und wenn wir etwas Grundlegendes verändern wollen, reichen die politischen Mühlen nicht. Nein, wir Mieter:innen müssen uns vernetzen, voneinander lernen, einander unterstützen, miteinander für die Art von Stadt einstehen, die wir uns wünschen. An der Demonstration am Samstag hast du die Möglichkeit, Informationen und Verbündete zu finden. Du wirst dich zum Beispiel für ein stadtweites Vernetzungstreffen des Mietenplenums anmelden können (www.mietenplenum.ch).
«Ich bin ja auch hässig, will aber nicht an einer Schwarzen-Block-Demo landen.»
Diese Demonstration ist bewilligt und bietet Platz für alle! Und damit sind auch Familien, ältere Menschen, ruhige Charaktere oder Menschen mit ungeregeltem Aufenthaltsstatus gemeint. Das ist Konsens bei den Organisator:innen und alle werden darauf achten. Denn es ist klar: Auch wenn wir alle langsam ziemlich hässig sind, so gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, dieses Hässigsein auszudrücken. Die einen möchten bunte Transpis malen, andere laut Parolen rufen, die einen wollen nächtelang recherchieren und Daten hacken, andere Türgespräche in Abriss-Siedlungen führen. Die einen wollen den Kapitalismus sofort abschaffen, andere wollen (und müssen) juristische Kämpfe in konkreten Fällen führen. Komme auch du mit deinem Hässigsein, in welchen Farben auch immer, von mir aus gerne auch mit Lametta und Glitzersternen! 🙂
«Ok, aber sind die Demo-Forderungen nicht alle zu radikal?»
Veränderung braucht manchmal grossen Mut. Darum möchte ich dich gerne einladen, einen kleinen Blick etwa 30 Jahre zurückzuwerfen: Damals herrschte ebenfalls eine schlimme Wohnkrise in Zürich und Bewohner:innen haben mit allen Mitteln den Abriss ihrer Häuser bekämpft – mitunter indem sie sie besetzt haben oder auch mal Architekturmodelle vom Neubau entwendeten. Unter anderem sind nur so bis heute wichtige Genossenschaften entstanden (s. Foto). Auch sonst wäre Zürich in vieler Hinsicht nicht dieselbe Stadt, hätten sich Menschen nicht gewehrt und selbstorganisiert engagiert. Dies gilt auch heute! Wenn wir nichts tun, wird sich ganz sicher nichts verändern!
Besetzung in der Zweierstrasse, 1989. (Foto: Bild: Vogler, Gertrud: Zürich/Signatur: Sozarch_F_5107-Na-12-026-035)
«Ich wohne eh schon in einer Genossenschaft. Also betrifft es mich nicht?»
Doch! Erstens willst vermutlich auch du nicht in einer Stadt wohnen, aus der Menschen mit kleinem Portmonee nach und nach verdrängt werden. Zweitens schürt die Wohnungskrise in den letzten Jahren auch immer mehr die Neiddebatte: Menschen in überteuerten Wohnungen schauen mit zunehmender Wut auf Menschen in gemeinnützigen Wohnungen, weil die Miet-Schere immer grösser wird. Dabei lenkt diese Spaltung vom eigentlichen Problem ab, nämlich dass der private ‘Immobilienmarkt’ immer schlimmer wird und mit Wohnraum so viel Rendite gemacht wird. Diese Spaltung dürfen wir nicht zulassen. Setzt euch als Genossenschafter:innen dafür ein, dass ALLE bezahlbar wohnen können!
«Ich wohne gar nicht in Zürich. Was mache ich dann?»
Soweit ich weiss, kommen Delegationen aus Basel, Bern und St. Gallen zur Demo. Du wirst also bei weitem nicht allein sein als Nicht-Zürcher:in. Die Wohnungskrise ist nicht mehr nur ein Problem der grossen Städte, wir hören auch aus kleineren Gemeinden im Kanton oder sogar aus Berggemeinden, dass sie auch darunter leiden. Die Demo ist für uns alle! Es gibt übrigens auch diverse Treffpunkte, von wo Menschen gemeinsam an die Demo anreisen. Da kannst du dich anschliessen. Infos dazu findest du auf Instagram bei @wohnraumfueralle.
Vielleicht ist das auch dein Moment, um ein Zeichen zu setzen und dich mit deinen Nachbar:innen zu vernetzen und mit ihnen gemeinsam an die Demo zu kommen?
Wenn deine Frage nicht dabei war, schreibe mir gerne auf post@mieten-marta.ch!
Wir sehen uns am 4. November um 15 Uhr auf dem Turbinenplatz!
Solidarische Grüsse,
eure Mieten-Marta
«Wir haben genug! Grossdemo gegen die Wohnungskrise» am Samstag, 4. November um 15 Uhr. Die Demo ist bewilligt, beginnt auf dem Turbinenplatz und endet auf dem Helvetiaplatz. Infos: www.wohndemo.ch