Im Süden Altstettens hat die Familie Halter rund 800 Mieter*innen die Wohnung gekündigt. Ihr Zuhause soll abgerissen oder totalsaniert werden. Das Mietenplenum und die Alternative Liste fordern die Familie Halter dazu auf, ihre Pläne sozialverträglich umzusetzen. Das heisst: in einer ersten Bauetappe preisgünstige Wohnungen zu bauen und den Mieter*innen für die Bauzeit Ausweichwohnungen anzubieten, sodass diese langfristig im Quartier wohnen bleiben können. Mit der folgenden Recherche zeigen wir auf, dass ein solches Vorgehen für die Familie Halter durch eine geschickt etappierte Rochade möglich wäre, dank einem umfangreichen Portfolio von rund 2000 Wohnungen im Quartier Altstetten/Albisrieden/Grünau.

Wie etappiert man einen Ersatzneubau sozialverträglich?
Wenn eine grössere Siedlung abgerissen und neu gebaut wird, muss dies nicht in einem Rutsch geschehen. Stattdessen kann man in einem ersten Schritt nur etwa einen Drittel der Häuser abbrechen, und dort möglichst dicht und hoch, möglichst viele preisgünstige Wohnungen bauen. So kann ein Grossteil der bisherigen Mieter*innen in diese Wohnungen einziehen, bevor der Rest der Häuser abgebrochen und neu gebaut wird. Für die Mieter*innen des ersten Drittels, welche langfristig in der Siedlung wohnen bleiben möchten, müssen während der Bauzeit Ersatzwohnungen organisiert werden, zum Beispiel in leer werdenden Wohnungen auf dem Areal oder in anderen Liegenschaften im Quartier.
Eine sozialverträgliche Etappierung ist also auf verfügbare Ausweich- und Ersatzwohnungen angewiesen. Dazu kann sich eine Eigentümerschaft mit anderen Eigentümer*innen im Quartier koordinieren. Viel einfacher ist es aber, wenn sie selbst im Quartier über ein grösseres Wohnungsportfolio verfügen, oder die zuständige Immobilienverwaltung viele Wohnungen im gleichen Quartier verwaltet. Bei vielen Eigentümern ist dies nicht der Fall – bei der Familie Halter jedoch schon.
Im konkreten Fall der neusten Bauprojekte zwischen Freihof-, Badener- und Baslerstrasse (über das Letzigarten-Projekt wurde schon mehrfach berichtet beim Tagi, Tsüri, Limmattaler, P.S. etc., über das andere wurde noch nicht berichtet) würde dies bedeuten, dass von den total 425 gekündigten Haushalten in einer ersten Etappe erst etwa ein Drittel ausziehen müsste, von denen manche erfahrungsgemäss andere Pläne haben. Schätzungsweise 80 Haushalte der ersten Etappe möchten also auf dem Areal oder im Quartier wohnen bleiben. Für diese müssten Ausweich- oder Ersatzwohnungen organisiert werden. Mit einer langfristigen Planung und einem so grossen Immobilienportfolio wie demjenigen der Halter-Erb*innen ist dies realistisch.


Fotos: Die leergekündigten Häuser zwischen Badener-, Basler- und Freihofstrasse.
Der Grundbesitz der Familie Halter
Unsere neuesten Recherchen ergeben, dass die Familie Halter allein im Zürcher Kreis 9 circa 1910 Wohnungen besitzt (plus etliche Büro- und Gewerberäume). Verwaltet werden diese von zwei Immobilienverwaltungen, die auch beide zur Familie gehören: von der Halter AG und von der Peter Halter AG.
Die Wohnungen unterscheiden sich stark bezüglich Zustand und Preisklasse, was für die vorgeschlagenen Rochaden von Vorteil ist: Während 501 Wohnungen akut vom Abriss bedroht sind [siehe rot markierte Grundstücke auf der Gefahrenkarte] und 256 Wohnungen relativ neu gebaut sind [grün], sind 1153 Wohnungen eher älter [gelb und orange], die Mieten also tendenziell tiefer, aber nicht dringend sanierungsbedürftig. Diese Wohnungen stehen zwar nicht leer, aber im Verlauf von ein paar Jahren ziehen Haushalte aus oder lösen sich auf, sodass die leer werdenden Wohnungen denjenigen Mieter*innen angeboten werden können, die aus den Abriss-Häusern ausziehen müssen. Zusammen mit den Wohnungen, die zwar abgerissen werden, aber nicht in der ersten Etappe, sollten sich somit genügend Ausweich- oder Ersatzwohnungen ergeben für eine sozialverträglichen Prozess.




Fotos: Von baldiger Leerkündigung bedrohte Halter-Häuser im Kreis 9 [grün auf der Gefahrenkarte].
Der Verdacht beruht auf Mieter*innen-Informationen, befristeten Wohnungsinseraten oder Augenschein von sehr vernachlässigtem Zustand.












Basler- / Calanda- / Eisenbahner- / Saumackerstrasse



Fotos: Halter-Siedlungen, die sich im Kreis 9 als Ausweich-Siedlungen anbieten [gelb oder orange auf der Gefahrenkarte]
Wer ist die Familie Halter und wie kommt sie an diesen Grossgrundbesitz?
Vor über 100 Jahren hat Wilhelm Halter im Herzen von Altstetten eine Baufirma gekauft. Seine Frau, sein Sohn, seine Schwiegertochter und sein Enkel haben das Unternehmen erfolgreich weitergeführt und zur heutigen Halter AG weiterentwickelt. Im Laufe der Jahre hat das Familienunternehmen in Altstetten, Albisrieden und in der Grünau sehr viel gebaut – sowohl auf eigenem Land oder im Auftrag. Das Land und die Immobilien der Firma wurden bei den Erbteilungen im Jahr 1968 und 1973 auf die Kinder aufgeteilt und später teilweise an die Enkel*innen weiter vererbt. Heute gehören die rund 2000 Wohnungen sowie etliche Büro- und Gewerberäumlichkeiten über 10 unterschiedlichen Halter-Erb*innen.

Die obige Karte zeigt in sattem Pink, welche Grundstücke heute (Stand 2025) den Halter Erb*innen gehören, sowie in hellrosa, wo die Firma Halter früher Eigentum oder Aufträge hatte. Das Ausmass des Einflusses der Firma Halter auf das Quartier widerspiegelt auch, wieviel Geld die Familie schon in diesem Quartier verdient hat und nach wie vor verdient. Die Aufforderung der Petition von Mietenplenum und AL Zürich an die Familie Halter, soziale Verantwortung zu übernehmen, indem sie “ihre bisherigen Mieter*innen wertschätzen und sich aktiv für soziale Durchmischung und gegen Verdrängung einsetzen”, ist unserer Meinung nach also durchaus angebracht.


Fotos: Neu gebaute Halter-Siedlungen im Kreis 9 [grün auf der Gefahrenkarte]
Woher haben wir diese Daten?
Für diese Recherche haben wir unterschiedliche Quellen konsultiert: insbesondere die Firmenchronik der Firma Halter, die alten Adressbücher Zürichs sowie das Zürcher Grundbuch. Ausserdem sind wir durchs Quartier gestreift und haben mit Mieter*innen und Nachbar*innen der betroffenen Häuser gesprochen. Trotzdem ist die Recherche vermutlich unvollständig und es können sich Fehler eingeschlichen haben. Zusätzliche Hinweise nehmen wir gerne entgegen an post@mieten-marta.ch.
Diese Recherche ist unter einer Creative Commons Lizenz veröffentlicht. Alle Inhalte (Texte, Bilder, Karten) dürfen verwendet werden unter Nennung von CC BY 4.0. Mieten-Marta