Auf die Strasse gehen statt auf der Strasse landen!

Hallo liebe 1.Mai-Gemeinschaft, 

Ich bin die Mieten-Marta und ich bin hässig. 

Unsere Stadt wird momentan umgepflügt: baulich und sozial. Es wird gebaut wie verrückt und doch habe ich manchmal das Gefühl, die Stadt werde immer leerer und leerer. Weil sich so viele Menschen diese Stadt nicht mehr leisten können.

Macht euch das nicht auch hässig?? Immer, wenn ich ein bisschen nachbohre, heisst es: “Man kann leider nichts machen! Es ist die Wirtschaftslage!” oder: “Oh je, wie sollen wir denn sonst unsere Pensionskassen füllen, wenn nicht durch den Immobilienmarkt?”

Ich habe genug. Ich habe so genug von dieser Absurdität.

Da wird Raubbau an unserer Stadt gemacht. Sei das unverhohlen für die Bereicherung von Wenigen. Oder perfid mit dem sozialen Argument, dass damit die Renten bezahlt werden – die ja übrigens häufig eh kaum reichen und dann vor allem für eines draufgehen: TEURE MIETEN!

  • Ich bin keine Wirtschaftswissenschaftlerin. Aber kann mir mal jemand erklären, warum ihr euch mit einer solch himmelstinkenden Rechnung zufrieden gebt?
  • Ich bin keine Juristin. Aber kann mir mal jemand erklären, warum wir nicht schon längst wenigstens geltendes Recht umsetzen (sprich Renditedeckelung)?
  • Ich bin keine Politikerin. Aber kann mir mal jemand erklären, warum wir nicht längst an tiefgreifenden neuen Lösungen dransitzen?
  • Ich bin keine Architektin. Aber kann mir mal jemand erklären, wann sich Planer*innen politisieren und sich öffentlich für einen ökologisch wie sozial nachhaltigen Wandel ihres Berufsstandes aussprechen?

Ich bin vor allem Mieterin.

Und als diese bin ich traurig, was mit meiner Stadt passiert. Ich verliere Menschen um Menschen, die mir wichtig sind. Und weiss nicht, wann es mir selbst hier den Boden unter den Füssen wegreisst. 

Ich bin auch wütend. Über die Scheinheiligkeit der Politik bezüglich dieser Verdrängungsprozesse. Ich glaube niemandem, auch keiner Genossenschaft, dass die Menschen, die momentan in den Verdichtungsquartieren von Zürich Nord und West wohnen, auch langfristig in diesen Quartieren bleiben können! Ja, vielleicht entstehen dort nicht die teuersten aller teuren Wohnungen, aber es gibt viele Menschen in dieser Stadt, die sich auch eine Mieterhöhung von wenigen hundert Franken nicht mehr leisten können! 

Das darf doch kein Grund sein, nicht mehr Teil der Stadt sein zu können?

Ich bin auch immer wieder erstaunt. Darüber, dass hier nicht schon viel mehr aus der Zivilgesellschaft heraus passiert ist. Wenn ich nach Deutschland schaue: Dort gibt es zahlreiche Mieter*innen-Initiativen. Und in Berlin hat die Bewegung «Deutsche Wohnen + Co. Enteignen» eine bis dato unvorstellbare Abstimmung gewonnen: Dass der grösste Wohnungsbauträger der Stadt vergesellschaftet werden soll. Und dies mit einer bottom up bzw. Graswurzel-Bewegung!

Ich bin darum auch ein bisschen mutiger und hoffnungsfroher geworden. In den letzten Monaten habe ich mich mit vielen anderen Menschen in Zürich ausgetauscht, denen es ebenso geht. Sie haben dieselbe Wut, dieselben Fragen, dasselbe Bedürfnis, dass wir noch etwas zu ändern versuchen, bevor wir alle aus dieser Stadt weggentrifiziert sind. Menschen, die sich kennenlernen wollen, gemeinsam recherchieren, sich für mehr Transparenz im Immobilienmarkt einsetzen und Forderungen ausarbeiten möchten. Darum möchte ich dieses Statement mit einer herzlichen Einladung abschliessen: 

Macht mit! Setzt euch mit uns ein für bezahlbaren Wohnraum!

denn wir alle sind die Mieten-Marta. 

Informiere dich. Gründe selber eine Mieter*innen-Gruppe in deinem Quartier, deiner Strasse. Stelle Kontakt her zu besonders betroffenen Menschen. Schliesse dich zusammen mit anderen.

Also, bis bald in unseren Nachbar*innenschaften, 

eure Mieten-Marta!